Immobilienmagazin 10/2006
Das Werk ist gelungen
Bauherrentagebuch: Das Ehepaar Christmann errichtete beim Blauen Wunder ein Niedrigenergiehaus
Im Juli 2002 zogen Frank und Rita Christmann von Hildesheim nach Dresden um, jeden Tag genossen der Kaufmann und die Pädagogin vom Balkon ihrer Mietwohnung an der Fuchsstraße den herrlichen Blick auf das Blaue Wunder. Doch schon nach nur vier Wochen erlebte das Ehepaar ein “blaues Wunder” ganz anderer Art, als die Fluten der Elbe über die Ufer traten. Innerhalb von wenigen Stunden war das neue Domizil zerstört, eine Rückkehr – wie sich später herausstellen sollte – nicht möglich. Gemeinsam mit den Nachbarn waren die beiden unentwegt im Einsatz, um zu retten, was zu retten war. Einiges konnte dabei in Sicherheit gebracht werden, doch vieles versank im Wasser, war nicht mehr zu gebrauchen. Besonders schmerzvoll: der Verlust von persönlichen Erinnerungsstücken.
Neue Freunde gefunden
Auch wenn es schreckliche Tage waren – Rita Christmann denkt gerne an die Nachbarschaftshilfe zurück. “Eines Tages kam eine Frau und fragte, ob sie unsere Wäsche waschen soll”, erzählt die Pädagogin, die heute als Schulleiterin in Radebeul tätig ist. “Obwohl ich sie nicht kannte, nahm ich das Angebot an, denn wir hatten ja drei Wochen lang keinen Strom und mehrere Tage auch kein Wasser.” 24 Stunden später stand alles frisch gewaschen und gebügelt vor ihrer Tür, obendrauf eine Schachtel Pralinen. “ Ich weiß bis heute nicht, wer diese Frau war, denn ich habe sie nie wieder gesehen”, bedauert Rita Christmann. Unvergessen ist dem Ehepaar jedoch das Gefühl der Verbundenheit und Wärme, das es in dieser Zeit erlebte. Und sie fanden neue Freunde in ihrer Straße, weshalb es für die beiden klar war: “ Wir bleiben auf alle Fälle hier.” So zogen sie einfach noch einmal um, nur ein paar Schritte weiter in ein anderes Haus.
Das richtige Grundstück
Zwei Jahre später hatten die Christmanns endgültig Fuß in Dresden gefasst, der Wunsch nach einem Eigenheim keimte aus. Vom Blauen Wunder aber wollten die beiden nicht weg. “ Wir fühlen uns an diesem Fleck wohl. Dazu kommt die gute Infrastruktur im Bereich von Schiller- und Körnerplatz, wo wir alles haben, was wir brauchen. Und natürlich wollen wir die gewachsenen Freundschaften weiter pflegen”, erläutert der Kaufmann. Bei der Suche nach einem geeigneten Bauplatz stieg er schließlich auf ein Grundstück an der Straße Am Schillergarten – hier sollte das Haus entstehen. Doch das Areal, das sich im Besitz des Bundesvermögensamtes befand, war mit über 2 000 Quadratmetern für einen Einzelnen zu groß. “Bei der Behörde hat man es mit einer ganz anderen Mentalität und Denkweise zu tun als in der Privatwirtschaft”, erinnert sich der 55-Jährige nicht unbedingt mit Begeisterung an die über einjährige Prozedur, bis das Gelände endlich in vier Parzellen geteilt war und das Ehepaar den Kaufvertrag unterschreiben konnte.
Symmetrische Formensprache
Ebenso waren zahlreiche baurechtliche Vorschriften der Stadtverwaltung einzuhalten. “Das reichte von der Angleichung an die Umgebungsbebauung im Dresdner Villenstil über die frei stehende Frage bis hin zur Dachneigung und zu den Fenstergrößen.” Doch trotz aller amtlichen vorgaben wollte das Ehepaar auch seine eigenen Vorstellungen in das Eigenheim einbringen, seine individuellen Wünsche erfüllen. Deshalb wandte es sich an hiesiges Architektenbüro, das ein zweigeschössiges Gebäude mit unverkennbar mediterranem Charter entwarf. “Ausgangspunkt der Planung waren unsere Möbel gewesen”, lächelt Christmann. “Wir wussten genau, wie wir sie stellen wollten, so dass wir das Haus praktisch um die Einrichtung herum gebaut haben.” Basierend auf einem quadratischen Grundriss wurde zudem ein passendes Zeltdach gewählt, das durch seine klare, symmetrischen Formensprache sofort ins Auge fällt.
Bewusst wurde auf eine Unterkellerung verzichtet. “Wir sind hier gerade einmal 100 Meter vom Fluss entfernt”, weist der Bauherr auf die geografischen Gegebenheiten hin. “Bei einem Keller hätten wir eine extra Wanne gießen müssen – und das ist bekanntlich nicht gerade kostengünstig.” Dafür erfolgte die Ausführung der Bodenplatte in einer besonderen Stärke, so dass ein Niveau von 11,50 Metern über Elbepegel erreicht wurde. “Damit müssten wir eigentlich in Sicherheit sein”, hat Christmann Anhang der Erfahrungswerte durchgerechnet.
Vorteile durch Tafelbauweise
Errichtet wurde das neue Domizil Am Schillergarten von einem Bauträger. Dabei entschied sich das Ehepaar für ein Fertigkeit in Tafelbauweise, dessen wesentlicher Vorteil in einem hohen Grad der Vorprodukten besteht: Wand-, Decken- und Dachelemente werden bei dieser Methode schon in der Werkhalle komplettiert, das heißt, sie erhalten bereits dort die Dämmung in den Gefachten der Rahmenkonstruktion, die beidseitig mit Bepflanzung geschlossen wird. Ebenso werden Dampfbremse, Windsperre und Fassade aufgebracht. In die Teile sind die Leitungsführung der Haustechnik sowie Vorrüstungen für spätere Installationen integriert. Eine extra Außen- oder Innendämmung gehört zum Standard. Zu den werkseitig vormontierten Elementen zählen ebenso die Fenster und Außentüren. Für die Arbeit auf der Baustelle bleibt dann nur noch das Finish: haustechnische Aggregate, Anstriche, Tapeten, Fliesen, Bodenbeläge, Innentüren und die restliche Wohnausstattung. Durch das Prinzip der weitestgehenden Vorfertigung von passgenauen, maßhaltigen Einzelteilen wird die Bauzeit somit erheblich verkürzt. “Anfang April rückten die ersten Schwerlaster an, Ende des Monats konnten wir Richtfest feiern”, sagt Frank Christmann.
Kostengünstige Heizanlage
Gleichermaßen zügig gestaltete sich der Innenausbau, der in Eigenregie über die Bühne ging, so dass die Familie schon im Juni dieses Jahres einziehen konnte. Konsequent setzt sich der äußere mediterrane Stil auch im Innern fort, südliches Flair und ein leichtes Lebensgefühl prägen den Mikrokosmos. Zur Beheizung der 150 Quadratmeter Wohnfläche kommt die Geothermie zum Zuge. “Zunächst mussten wir sowohl ein geologisches als auch ein Bodengutachten erstellen lassen. Erst danach erhielten wir “grünes Licht” für zwei jeweils 80 Meter tiefe Bohrungen”, erzählt der Bauherr. Die Wärmepumpe ist in einem Abstellraum untergebracht und sorgt für ein heißes Wasser in der Fußbodenheizung, die beide Geschosse durchzieht. Noch in Arbeit befindet sich ein Kamin für Stückholz, der ergänzend im Wohnzimmer installiert wird. “Unser Eigenheim ist in ein Niedrigenergiehaus, bei dem wir konsequent auf sonstige Heizquellen verzichten können”, sagt Christmann nicht ohne Stolz. “Die Ausgaben für die geothermische Anlage amortisieren sich nach etwa acht Jahren, die Erwärme steht uns von Anfang an kostenlos zur Verfügung.”
Fachmännische Baubegleitung
Ausgezahlt hat sich für das Ehepaar darüber hinaus die Hinzuziehung eines Fachmanns vom Technischen Überwachungsverein (Tüv), der das Objekt während der gesamten Bauphase als Kontrollorgan begleitete. Da dem luftdichten Einbau der verschiedenen Materialien und Elemente bei der Einrichtung eines Niedrigenergiehauses eine bedeutende Rolle zukommt, veranlasste der Experte die Durchführung eines sogenannten Blower-Door-Testes. Bei diesem Check wird die Raumluft – bei geschlossenen Außentüren und Fenstern – von einem Ventilator aus dem Gebäude geblasen, so dass ein konstanter Unterdruck von etwa 50 Pascal entsteht.
Durch die Messung des von dem Gebläse geförderten Volumenstromes bei unterschiedlichen Druckdifferenzen zwischen drinnen und draußen kann dann die Luftwechselzahl n50 ermittelt werden. Die Bestimmung der Luftdichtheit erfolgt bei diesem Verfahren nach der europäischen Norm 13829, wobei die zahlenmäßigen Anforderungen in der DIN 4108-7 festgelegt sind: Demnach darf die Luftwechselzahl bei Häusern ohne Lüftungsanlagen den Kennwert 3 und bei Objekten mit Lüftungsanlagen den Kennwert 1,5 nicht überschreiten. “Bis zum heutigen Tag sind in unserem neuen Eigenheim keinerlei Mängel aufgetreten”, freut sich das Ehepaar über das gelungene Werk.
(immo)